Die Gruppenausstellung „Unbound: Performance as Rupture“ widmet sich der Frage, wie sich Künstler*innen zu unterschiedlichen Zeiten mit dem Körper in Bezug auf die Kamera auseinandergesetzt und dabei Ideologien der Unterdrückung zurückgewiesen, historische Narrative durchbrochen oder Vorstellungen von Identität erschüttert haben. Die Ausstellung, die Arbeiten aus der Julia Stoschek Collection mit Leihgaben in Dialog bringt, zeichnet verschiedene Schnittstellen von Performance und Videokunst seit den 1960er-Jahren und bis in die Gegenwart nach und legt dabei ein besonderes Augenmerk auf Formen des Risses, des Bruchs und der Pause.
Im Gegensatz zu Peggy Phelans Definition von Performance als einer Live-Kunstform, die von ihrem sofortigen Verschwinden charakterisiert ist, stellt „Unbound“ die Verwendung der Kamera und des dazugehörigen Apparats zum Zweck der Aufnahme und als beeinflussendes Element der Performance selbst in den Mittelpunkt. Die gezeigten Künstler*innen hinterfragen mithilfe einer bewusst herbeigeführten Verschmelzung der Präsenz der Performance mit der Virtualität des Bildes ein grundlegendes Paradox – eine Repräsentationskluft, wenn man so will, die sich zwischen dem performenden Subjekt, dessen komplexe Identität nie voll dargestellt werden kann, und der Kamera als einem gewaltvollen Werkzeug auftut, das versucht, die Dargestellten einzufangen, einzuhegen und zu klassifizieren. Viele der präsentierten Arbeiten zeigen und verhandeln dabei einen von der Kamera fortgeschriebenen kolonialen Blick und setzen zugleich doch auf genau jene zeitbasierte Technologie, um Verbindungen über Raum und Zeit hinweg zu etablieren, die ohne sie unmöglich wären. Neben Performancedokumentationen und Performances für die Kamera beschäftigen sich jüngere Arbeiten in der Ausstellung mit zeitgenössischen Bildökonomien und richten den Blick unter anderem darauf, wie Körper sich durch physische und digitale Räume bewegen.
Mitte des 20. Jahrhunderts führte die aufkommende Performancekunst dank ihrer Verwischung der Grenzen von Kunstobjekt, Künstlerin und Aktion einen Bruch ins westliche Kunstverständnis ein. Die damit einhergehende Befreiung der Kunst durch den Körper (und umgekehrt) findet sich als gemeinsamer Antrieb hinter den unterschiedlichen Ansätzen der ausgestellten Werke. Etwa zur gleichen Zeit prägte die junge Videotechnologie einen entscheidenden Wandel in der Art und Weise, wie wir Bewegung aufzeichnen, bearbeiten, abspielen und präsentieren – ein Wandel, der die frühen Video-Experimente mit unserer heutigen Nutzung in sozialen Medien und darüber hinaus verbindet. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Geschichten entwickelt sich ein Dialog zwischen historischen Arbeiten von Eleanor Antin, Peter Campus, VALIE EXPORT, Sanja Iveković, Ulysses Jenkins, Joan Jonas, Lutz Mommartz, Senga Nengudi, Howardena Pindell, Pope.L und Katharina Sieverding und Werken einer jüngeren Generation von Künstlerinnen, darunter Panteha Abareshi, Ufuoma Essi, Shuruq Harb, Tarek Lakhrissi, mandla & Graham ClaytonChance, Lydia Ourahmane, Sondra Perry, Akeem Smith und P.Staff.
Zu Unbound: Performance as Rupture erscheint eine Publikation mit einer allgemeinen Einführung sowie Kurztexten, in denen die einzelnen Kunstwerke in Beziehung zu den Themen der Ausstellung gesetzt werden (bei Besuch der Ausstellung kostenlos). Darüber hinaus werden ein öffentliches Gesprächs- und Screening-Programm sowie ein Podcast die Ideen der Ausstellung weiter beleuchten und ergänzen.
Unbound: Performance as Rupture will be accompanied by a publication comprising an introduction and short texts about each artwork in relation to the themes of the exhibition (complimentary upon admission). There will also be a public program of talks and screenings, and a podcast to expand on the exhibition’s ideas and absences.
Kuratorin: Lisa Long
Assistenzkuratorin: Line Ajan
Künstler*innen:
Panteha Abareshi, Eleanor Antin, Salim Bayri, Nao Bustamante, Matt Calderwood, Peter Campus, Patty Chang, Julien Creuzet, Vaginal Davis, Ufuoma Essi, VALIE EXPORT, Cao Guimarães, Shuruq Harb, Sanja Iveković, Ulysses Jenkins, Joan Jonas, Stanya Kahn, Tarek Lakhrissi, Klara Lidén, mandla & Graham Clayton-Chance, Lutz Mommartz, Senga Nengudi, Mame-Diarra Niang, Lydia Ourahmane, Christelle Oyiri, P.Staff, Manfred Pernice, Sondra Perry, Howardena Pindell, Pope.L, Pipilotti Rist, Katharina Sieverding, Akeem Smith, Gwenn Thomas
ÜBER DIE JULIA STOSCHEK FOUNDATION
Die Julia Stoschek Foundation ist eine 2017 gegründete Non-Profit-Organisation, die sich der öffentlichen Präsentation, Vermittlung, Förderung, Konservierung sowie der wissenschaftlichen Aufarbeitung zeitbasierter Kunst widmet. Die Stiftung verfügt über zwei Ausstellungshäuser in Berlin und Düsseldorf, in denen wegweisende Medien- und Performance-Kunst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, und verwaltet eine der weltweit umfangreichsten Privatsammlungen zeitbasierter Kunst. Mit über 900 Werken von mehr als 300 Künstler*innen umfasst die Julia Stoschek Collection Video, Film, Ein- und Mehrkanal-Videoinstallationen, Multimedia-Environments, Performance-, Sound- und Virtual-Reality-Arbeiten. Fotografie, Skulptur und Malerei ergänzen den zeitbasierten Schwerpunkt. Ausgehend von den ersten künstlerischen Experimenten mit Bewegtbild der 1960er- und 1970er-Jahre, liegt der Fokus der Sammlung auf zeitgenössischen Positionen.
ALLGEMEINE INFORMATIONEN
AUSSTELLUNGSDAUER
14. September 2023 – 28. Juli 2024
ERÖFFNUNG
13 September, 18 – 22 Uhr
ÖFFNUNGSZEITEN
Samstag und Sonntag, 12 – 18 Uhr
EINTRITT
5 Euro
BARRIEREFREIER ZUGANG
Die Ausstellung „Unbound“ findet im Erdgeschoss und dem Obergeschoss der Julia Stoschek Foundation Berlin statt. Der Zugang zum Obergeschoss ist nicht barrierefrei. Für den Besuch mit Rollstuhl oder Kinderwagen bitten wir um vorherige Anmeldung über visit.berlin@jsfoundation.art, um den Zugang zu gewährleisten.
DEUTSCHSPRACHIGE FÜHRUNG
Sonntag, 15 Uhr
ENGLISCHSPRACHIGE FÜHRUNG
Samstag, 15 Uhr
Anmeldung unter www.jsfoundation.art
SONDERFÜHRUNGEN
Anfragen für Sonderführungen außerhalb der Öffnungszeiten bitte per E-Mail an visit.berlin@jsfoundation.art Kosten: 20 Euro pro Person für Gruppen ab 10 Personen (inklusive Eintritt). Kostenfrei für Schülerinnen- und Studentinnengruppen.