Die neue Dokumentation zeichnet das Leben und den ungelösten Mord an der Ikone aus „Paris Is Burning“ nach und begleitet ihre biologische und ihre Wahlfamilie auf der gemeinsamen Suche nach Gerechtigkeit.Eine neue Dokumentation ergründet das Leben und den ungelösten Mord an Venus Xtravaganza, einer Künstlerin, die durch ihren Auftritt im wegweisenden Film Paris Is Burning zu einer weltweiten Trans-Ikone wurde. Der neue Film, I’m Your Venus, unter der Regie von Kimberly Reed, setzt die Geschichte Jahrzehnte nach Venus‘ Tod fort und erzählt von einer Suche nach Antworten, Versöhnung und Gerechtigkeit. Präsentiert von Participant und produziert von Stick Figure Productions, führt der Dokumentarfilm die beiden Familien zusammen, die Venus‘ Leben prägten: ihre biologische Familie, in die sie hineingeboren wurde, und die Wahlfamilie, die sie in der New Yorker Ballroom-Szene fand. Gemeinsam wollen sie nicht nur die Wahrheit hinter einer längst erkalteten Spur aufdecken, sondern auch das Vermächtnis einer Frau feiern und zurechtrücken, das seit mehr als 30 Jahren fortbesteht.
Der lange Schatten von Paris Is Burning
Um diesen neuen Film zu verstehen, muss man seinen Vorgänger kennen. Der bahnbrechende Dokumentarfilm Paris Is Burning aus dem Jahr 1990 gewährte der Welt erstmals einen tiefen Einblick in die lebendige Underground-Ballroom-Kultur New Yorks – eine Welt, die von und für Schwarze und hispanische LGBTQ+-Jugendliche geschaffen wurde. Der Film dokumentierte die prunkvollen Bälle, bei denen die Teilnehmenden in Kategorien wie Tanz, Mode und „Realness“ wetteiferten und danach beurteilt wurden, wie überzeugend sie eine bestimmte Rolle verkörpern konnten. Diese Veranstaltungen waren mehr als nur Wettbewerbe; sie waren eine Lebensader und ein Raum der Selbstentfaltung in einer Gesellschaft, die von Rassismus, Homophobie, Transphobie, Armut und der drohenden AIDS-Krise gezeichnet war. In dieser Welt boten „Houses“ – Ersatzfamilien, angeführt von „Mothers“ und „Fathers“ – Schutz, Unterstützung und ein Gefühl der Zugehörigkeit für jene, die von ihren leiblichen Verwandten oft verstoßen wurden.
Venus Xtravaganza, eine junge Transfrau italienischer und puerto-ricanischer Abstammung, war eine der unvergesslichsten Figuren des Films. Als aufstrebendes Model aus dem einflussreichen House of Xtravaganza sprach sie vor der Kamera mit einer Mischung aus entwaffnender Verletzlichkeit und leidenschaftlichem Ehrgeiz über ihre Träume: ein Auto, ein Zuhause fernab von New York und eine Hochzeit im weißen Kleid in einer Kirche. Sie war ein aufsteigender Stern der Ballroom-Szene, doch den Film, der sie zur Ikone machen sollte, erlebte sie nicht mehr. In den letzten, eindringlichen Momenten von Paris Is Burning erfährt ihre House-Mutter, Angie Xtravaganza, dass Venus im Alter von 23 Jahren erwürgt in einem Hotelzimmer aufgefunden wurde. Ihr Mord blieb unaufgeklärt und hinterließ ihre Geschichte tragisch unvollendet – ein Umstand, der die Zuschauer seit Jahrzehnten verfolgt.
Eine Geschichte zweier Familien
I’m Your Venus findet sein emotionales Herzstück in der Zusammenführung der beiden Familien von Venus. Der Film stellt ihre leiblichen Brüder John, Joe und Louie Pellagatti vor, die mit ihr in New Jersey aufwuchsen. In intimen Momenten blicken sie auf ihre Vergangenheit zurück und gestehen ein, dass ihre Liebe zu ihrer Schwester zwar ungebrochen war, ihr damaliges Verständnis für deren Geschlechtsidentität jedoch begrenzt war. Ihre Reise ist eine Auseinandersetzung mit dieser schmerzhaften Vergangenheit, in der sie tief sitzendes Trauma und Bedauern verarbeiten, um einen Weg zu finden, ihr Andenken würdig zu ehren. Einer der Brüder erinnert sich an ein Weihnachtsgeschenk – einen Parfumhalter, das erste bewusst weibliche Geschenk, das er für sie gekauft hatte. Er hatte es verpackt und unter den Baum gelegt, doch sie sollte es nie erhalten.
Dieser Weg des Verstehens führt sie zu Venus‘ anderer Familie: dem legendären House of Xtravaganza. Der Film bietet einen tieferen Einblick in das Ballroom-House als Zufluchtsort, ein entscheidendes Unterstützungsnetzwerk, das Venus aufnahm, nachdem sie von zu Hause fortgegangen war. Unter der Führung der heutigen House-Mutter, der einfühlsamen Gisele Xtravaganza, werden die Pellagattis in der Welt willkommen geheißen, die ihre Schwester einst bewohnte. Der Dokumentarfilm begleitet das Treffen dieser beiden so unterschiedlichen Familien, die Erinnerungen austauschen und eine neue, gemeinsame Front bilden. Während das Streben nach juristischer Gerechtigkeit den Rahmen vorgibt, ist es dieser Prozess der familiären Versöhnung, der den ergreifenden Kern des Films ausmacht.
Die Suche nach Gerechtigkeit und Wahrheit
Der Dokumentarfilm ist nicht nur eine Reflexion über die Vergangenheit, sondern greift aktiv in die Gegenwart ein. Ein zentraler Handlungsstrang verfolgt die Bemühungen der Familien, den ungelösten Mordfall von Venus neu aufzurollen. Sie schalten ein Anwaltsteam ein, und in einer entscheidenden Entwicklung, die der Film festhält, führen ihre gemeinsamen Anstrengungen während der Produktion dazu, dass das New York City Police Department die Ermittlungen offiziell wieder aufnimmt. Das Filmteam wird selbst Teil der Geschichte und dokumentiert den Kampf, das System in Frage zu stellen und eine neue Untersuchung eines jahrzehntelang ruhenden Falles zu fordern. Die Trans Doe Task Force, eine gemeinnützige Organisation, die sich auf vermisste und ermordete LGBTQ+-Personen spezialisiert hat, steht bei der Auswertung von DNA-Beweisen beratend zur Seite.
Durch nie zuvor gezeigtes Archivmaterial und ungeschnittene Szenen aus Paris Is Burning lässt der Film Venus selbst zu Wort kommen. Dieses Material stellt ihr Leben in einen neuen Kontext und verleiht ihr eine Stimme, die über den ursprünglichen Film hinausgeht. In einer beklemmenden Sequenz erzählt Venus, wie sie nur knapp einem gewalttätigen Angriff eines Mannes entkam, der während einer intimen Begegnung ihre Transidentität entdeckte. Dieser Moment unterstreicht die ständige Gefahr, der sie ausgesetzt war, und lässt vermuten, dass die Umstände ihres Todes ähnlich waren.
Einen Namen zurückfordern, ein Vermächtnis ehren
Obwohl der Ausgang der polizeilichen Ermittlungen ungewiss bleibt, dokumentiert I’m Your Venus eine Reihe tiefgreifender und konkreter Erfolge, die die vereinte Familie erzielt. In einem historischen Schritt erwirken sie, dass ihr Name posthum rechtlich geändert und sie offiziell als Venus Pellagatti Xtravaganza anerkannt wird. Jahrelang war sie im Tod falsch identifiziert und unter ihrem Geburtsnamen beigesetzt worden. Der Film begleitet die Familie zum Holy Cross Cemetery in North Arlington, New Jersey, wo sie ihren Grabstein durch einen ersetzen, der den Namen trägt, den sie sich selbst gewählt hatte – ein kraftvoller Akt, mit dem sie ihre Wahrheit zurückerobert.
Die Bemühungen, sie zu ehren, erstrecken sich auch auf ihre Wurzeln. Ihr Elternhaus in Jersey City, ein Ort, an dem sie bei ihrer Großmutter Zuflucht fand und einige ihrer denkwürdigsten Interviews für Paris Is Burning gab, wird erfolgreich zum historischen Wahrzeichen erklärt. Diese Taten stellen eine andere Form der Gerechtigkeit dar. Angesichts eines Rechtssystems, das keine Gewissheit bietet, schaffen die Familie und die Gemeinschaft ihre eigene und stellen sicher, dass Venus‘ Identität geehrt, ihre Geschichte wahrheitsgetreu erzählt und ihr Vermächtnis dauerhaft verankert wird.
Damals und heute: Ein andauernder Kampf
Der Dokumentarfilm erscheint in einer Zeit erneuter gesellschaftlicher und politischer Spaltung und schlägt bewusst eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Er rahmt Venus‘ Geschichte nicht als historische Tragödie, sondern als zeitgemäße und dringliche Parabel. Der Film zieht eine direkte Verbindung zwischen der Gewalt der 1980er Jahre und den Gefahren, die heute fortbestehen, indem er eine Mahnwache für O’Shea Sibley zeigt, einen jungen Mann, der beim Voguing an einer Tankstelle erstochen wurde. Die Szene ist eine schmerzliche Erinnerung daran, dass derselbe identitätsbasierte Hass, der zu Venus‘ Tod führte, weiterhin Leben fordert. Der Film macht deutlich, dass die systemischen Hürden und die Gewalt, denen Trans- und queere Menschen, insbesondere Transfrauen of Color, ausgesetzt sind, nicht verschwunden sind. Indem er Venus‘ Geschichte in diesen zeitgenössischen Kontext stellt, dient der Film als kraftvolles Zeugnis des andauernden Kampfes um Sicherheit, Akzeptanz und das Recht auf Existenz.
Die in I’m Your Venus dokumentierte Reise beginnt mit der brutalen Realität eines ungelösten Mordes, doch ihr Ziel ist ein Ort der Heilung, der Liebe und der Zelebrierung. Während die Suche nach einem Mörder den erzählerischen Motor bildet, liegt der Fokus des Films letztlich auf der kathartischen Versöhnung einer Familie und dem unbeugsamen Geist einer Gemeinschaft. Es ist ein Porträt des Verlusts, aber auch der unbändigen Liebe und der unbeugsamen Stärke und Anmut, die ein Vermächtnis nicht nur überleben, sondern aufblühen lassen – und beweisen, dass ein Name und eine Geschichte für immer zurückerobert werden können, auch wenn das Leben selbst endlich ist.
I’m Your Venus ist ab sofort auf Netflix verfügbar und feierte am 23. Juni Premiere.