The Thursday Murder Club
The Thursday Murder Club

The Thursday Murder Club: Chris Columbus liefert für Netflix ein ironisches, schnörkelloses Krimi-Puzzle

28.08.2025, 03:27

Adaptiert nach Richard Osmans Bestseller kommt The Thursday Murder Club bei Netflix als präzise konstruiertes „cozy“-Whodunit an, das auf handwerkliche Sorgfalt, Ensemblespiel und prozedurale Klarheit statt auf Effekthascherei setzt. Unter der Regie von Chris Columbus und in Zusammenarbeit mit Amblin Entertainment überträgt der Film ein literarisches Phänomen in eine gestraffte, filmische Erzählung mit klarer Raumaufteilung, maßvollem Tempo und einem Fokus auf Figurendynamik. Das Ausgangssetting bleibt erhalten: Vier Rentnerinnen und Rentner in einer gehobenen englischen Seniorenresidenz verwandeln ihr Hobby – das Stöbern in Cold Cases – in eine laufende Ermittlung, als ein lokaler Todesfall ein Geflecht von Motiven freilegt. Der Ton ist leicht, ohne leichtfertig zu sein, und der Film behandelt Sterblichkeit wie Gemeinschaft mit unaufdringlicher Nüchternheit.

Das Ensemble ist das ordnende Prinzip. Helen Mirren, Pierce Brosnan, Ben Kingsley und Celia Imrie verkörpern Elizabeth, Ron, Ibrahim und Joyce mit einer Mischung aus komödiantischer Zurückhaltung und beobachtender Schärfe. Der Film lässt ihre komplementären Tempi die Erzählung tragen: Mirrens ökonomische Gestik; Brosnans störrische Wärme; Kingsleys analytische Ruhe; Imries durchlässige, freundliche Neugier. Die Chemie ist funktional statt dekorativ – Repliken überschneiden sich, Pausen gewinnen Bedeutung, und der Gruppentakt macht aus Verhören gemeinschaftliche Deduktionen statt Auftritten zur Selbstdarstellung. Um sie herum liefern Naomi Ackie und Daniel Mays einen polizeilichen Gegenpol, der von Verfahrenslogik statt von Herablassung geprägt ist, während David Tennant, Jonathan Pryce, Richard E. Grant, Henry Lloyd-Hughes, Tom Ellis, Geoff Bell, Paul Freeman, Sarah Niles und Ingrid Oliver ein Netzwerk aus Verdächtigen und Vertrauten bilden, das das Feld erweitert, ohne die Lesbarkeit zu opfern. Das Casting reicht über bloße Namen hinaus: Jede Darstellerin und jeder Darsteller steuert eine präzise Linie von Aussage, Widerspruch oder Motiv bei, die die Indizienkette fortschreibt.

The Thursday Murder Club
The Thursday Murder Club

Columbus hält seine Handschrift im rechten Maß. Seine Inszenierung betont schauspielerzentrierte Auflösung, sauberes Blocking und eine Vorliebe für räumliche Logik statt emphatischer visueller Unterstreichung. Szenen beginnen und enden mit dem Gedanken, nicht mit der Zierde. Dialoge dürfen sich organisch auslaufen, der Schnitt bevorzugt motivierte Reaktionen und Anschlüsse über die Bewegung, die die Kontinuität der Ermittlung sichern. Die Wirkung erinnert eher an Salondetektivgeschichten der Mitte des 20. Jahrhunderts als an zeitgenössische Pastiches; der Film widersteht dem Reflex zur Steigerung, wo Geduld genügt. Praktisch heißt das: Hinweise werden gezeigt, bevor sie wichtig werden, Irreführungen entspringen glaubwürdigem Verhalten, und die Auflösung ordnet vorhandene Informationen neu, statt späte Kunstgriffe einzuführen. Es ist das Fair-Play-Prinzip, angewandt auf eine populäre Form.

Die technischen Departments folgen dieser Lesbarkeits-Ethik. Don Burgess’ Kamera priorisiert räumliche Verständlichkeit: establishing shots, wiederkehrende Blickachsen und selektive Tiefenschärfe, die relevante Details ohne Zurschaustellung isoliert. Die Innenräume von Coopers Chase sind in sanftem Naturalismus ausgeleuchtet; Außenaufnahmen nutzen bedeckte Himmel, um Texturen und Konturen klar zu halten. Dan Zimmermans Montage respektiert die Gesprächskadenz und kappt Redundanzen, besonders in Interviewsequenzen, in denen Überinsistenz Ergebnisse verraten könnte. Thomas Newmans Score liefert verbindendes Gewebe: wiederkehrende Motive markieren den Übergang von Geselligkeit zu Nachforschung, ohne Emotionen vorzuschreiben. Jede Entscheidung wahrt die Autonomie des Publikums – der Film lädt zum Schlussfolgern ein, statt Reaktionen zu erzwingen.

Szenenbild und Kostüm leisten leise Erzählarbeit. Gemeinschaftsräume zeigen Gebrauch, keine kuratierte Exzentrik; private Zimmer spiegeln ihre Bewohnerinnen und Bewohner durch eine Ökonomie der Farben und Dinge. Die Kostüme vermeiden karikierende Abkürzungen: Funktionalität ohne Strenge für Elizabeth; lagenbetonte Nützlichkeit für Ron; kalibrierte Neutraltöne und dezente Texturen für Ibrahim; dosierte Wärme für Joyce. Der kumulative Effekt verankert die Figuren in einer plausiblen Alltäglichkeit und wehrt die im Genre verbreitete Tendenz ab, „liebenswerte Schrulligkeit“ als Ersatz für Innerlichkeit einzusetzen. In einer Erzählung, die von Beobachtung lebt, zählt diese Haptik: Sie erdet die Deduktionen in einer bewohnten, nicht bloß ausstaffierten Welt.

The Thursday Murder Club
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Als Adaption verdichtet The Thursday Murder Club einen Roman, der für diaristische Textur und vielfältige Perspektiven steht, in einen Rahmen von rund zwei Stunden, ohne seine Kerninteressen zu amputieren: die Reibung und Kooperation zwischen institutioneller Prozedur und ziviler Initiative sowie die Art, wie Alter Methoden bereitstellt, die Systeme oft unterschätzen. Columbus und die Drehbuchautorinnen Katy Brand und Suzanne Heathcote straffen periphere Fäden und externalisieren die innere Stimme über Handlung, Gestus und sparsame Inserts. Der Humor speist sich aus Inferenz statt aus Pointe-Mechanik, und der Film bewahrt das Gleichgewicht der Vorlage – das Makabre wird maßvoll behandelt, Freundschaft ohne Sentimentalität in den Vordergrund gerückt. Richard Osmans Beteiligung als Executive Producer zeigt sich in der Tonhaltung und im Verzicht darauf, Alter entweder als Witz oder als zuckrige Erbauung zu instrumentalisieren.

Entscheidend ist, dass der Film seine älteren Hauptfiguren als kompetente Mitstreiter behandelt, nicht als narrative Kuriositäten. Ihre Werkzeuge – Zuhören, institutionelles Gedächtnis, Geduld für unglamouröse Aufgaben – bilden ein Gegenmodell zum hyperkompetenten Detektiv-Archetypen. Die Polizei dient nicht als Strohmann-Antagonist: Sie passt sich den unorthodoxen Beiträgen des Clubs an, und die Ermittlung wird zur Studie wechselseitigen Respekts. Dieses Design hat kulturellen Wert. In einem Plattform-Ökosystem, das zu Hochkonzept-Eskalation und jungen Hauptrollen tendiert, demonstriert The Thursday Murder Club, dass intergenerationelle Zusammenarbeit und lokales Wissen einen überzeugenden Thriller ohne Spektakel tragen können.

Die Mysteriendramaturgie beachtet das „fair play“. Hinweise liegen offen; falsche Fährten sind durch Charaktere motiviert, nicht durch autoralen Eigensinn; und das Finale setzt auf Verantwortlichkeit statt Großspurigkeit. Kennerinnen und Kenner erkennen vertraute Formen – Alibi-Prüfungen, klassenbezogene Motive, die Dramaturgie der Schlussaufdeckung –, doch der Reiz ist hier prozessual: zu beobachten, wie Elizabeth, Joyce, Ibrahim und Ron Sinn aus Fragmenten bauen. Das Resultat misst sich weniger am Schock der Enthüllung als an der Klarheit der Rekonstruktion – eine Form der Befriedigung, die Wiederansichten standhält.

Feinabstimmungen in den Performances stützen diesen Ansatz. Mirren verankert Autorität in Zurückhaltung und deutet eine dichte Vergangenheit an, ohne Expositionslast. Brosnan spielt Überzeugung statt Lautstärke, wodurch Rons Konfrontationen eine verdiente Schärfe erhalten. Kingsleys beobachtende Ruhe – ein Blick, der die diagnostische Arbeit leistet – macht Ibrahims Schlüsse als Frucht von Methode, nicht von Fügung, erfahrbar. Imries Timing verweigert Süßlichkeit und setzt Joyce als ethisches Zentrum ebenso wie als Wärmequelle. Bei den Nebenrollen zeichnen Ackie und Mays einen glaubwürdigen institutionellen Rahmen; Tennant, Pryce, Grant, Lloyd-Hughes, Ellis, Bell, Freeman, Niles und Oliver artikulieren diskrete Stränge von Motiv und Gelegenheit, die die Verdächtigenkarte lesbar halten.

Aus Branchensicht bündelt das Projekt komplementäre Assets. Netflix gewinnt eine literarische IP mit globaler Bekanntheit; Amblin steht für verlässliches Mainstream-Storytelling; Columbus bringt langjährige Erfahrung in der Ensembleführung ein. Formal ist der Film auf das Heimkino kalibriert: die Tonmischung priorisiert Dialogverständlichkeit; Bildkompositionen bevorzugen mittelnahe Einstellungen, die auf verschiedensten Bildschirmen funktionieren; der Erzählfluss speist sich aus der Zielgerichtetheit einzelner Szenen statt aus Action-Spitzen. Im Katalog ergänzt der Titel die düstereren Thriller des Dienstes um ein benachbartes Register – witzig, human, prozedural – und weitet so das Krimiangebot.

Auch die Credits spiegeln diese Kohärenz. Columbus führt Regie und produziert; Jennifer Todd produziert; das Drehbuch stammt von Katy Brand und Suzanne Heathcote; Bild, Schnitt und Musik verantworten Don Burgess, Dan Zimmerman und Thomas Newman; beteiligt sind Jennifer Todd Pictures, Maiden Voyage und Amblin Entertainment, Netflix übernimmt den Vertrieb. Diese Details sind relevant, weil sie eine Vorliebe für erfahrene Kollaborateure signalisieren, die klassische Erzähl-Ingenieurskunst beherrschen – eine Herangehensweise, die unspektakulär wirken kann, bis sie leiser als laute Strategien überzeugt.

Bleibt die kulturelle Geste: die Weigerung, Alter zum Stereotyp zu glätten. Der Pragmatismus, die Ausdauer und das Ohr dieser Rentnerinnen und Rentner werden zum Motor der Ermittlung und zur Quelle des Humors. Der Mord wird nicht verharmlost; er wird in eine Gemeinschaft eingebettet, die Konsequenzen kennt. Das Ergebnis ist weder Subversion noch Comfort Food. Es ist ein kompetent gefertigtes Rätsel, mit Maß und Takt ausgeführt, dessen Reize aus Klarheit, Spiel und der geduldigen Akkumulation von Bedeutung erwachsen.

Limitierter Kinostart ab dem 22. August 2025; Streaming-Premiere auf Netflix am 28. August 2025.

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