Die Tate Britain präsentiert mit our generous mother eine neue Filminstallation von Onyeka Igwe als nächste Auftragsarbeit ihres Programms Art Now. Die Arbeit führt die Untersuchung der Künstlerin zu Archiven und umstrittenen Geschichtsschreibungen fort, indem sie sich auf die nigerianische Universität konzentriert, an der ihre Mutter studierte, und den Campus als Rahmen nutzt, um die Schnittstellen von privatem Gedächtnis und staatlichen Narrativen zu analysieren.
Im Zentrum steht die Universität Ibadan — als älteste gradverleihende Hochschule Nigerias geltend —, deren tropisch-modernistische Architektur durchmessen wird, um politische und familiäre Verläufe von kolonialen Anfängen über Unabhängigkeit und Bürgerkrieg bis in die Gegenwart nachzuzeichnen. Igwe schichtet widersprüchliche Erzählungen und hybridisiert Modi: Fiktion trifft auf Dokumentarisches, analoge Verfahren auf digitale Präsentation, um sichtbar zu machen, wie ein einzelner Ort mehrere, teils konkurrierende Versionen der Vergangenheit trägt.
Die Installation ist als Abfolge von Betrachtungsbedingungen organisiert, die das Bild und seine Lesbarkeit verändern. Eine Acrylglas-Skulptur bricht und fragmentiert zunächst die Projektion und verweist auf den bedingten Charakter historischer Deutung. In der Mitte des Raums wechselt die Arbeit zur Diaprojektion, einem Format, das auf didaktische Materialien verweist, die Mitte des 20. Jahrhunderts zur Schulung kolonialer Verwaltungsbeamter eingesetzt wurden und bei denen Bilder mit laut zu lesenden Texten gekoppelt waren. An dieser Stelle werden Gebote aufgenommen, die aus dem Ibadan Film Unit Guide adaptiert sind. Den Abschluss bildet eine großformatige digitale Projektion auf eine Kinowand, die eine Linie radikaler Filmpraktiken aufruft, um die Konstruktion institutioneller Narrative zu befragen.
Art Now fungiert als kostenfreies Forum der Tate Britain für zeitgenössische Praxis und hat früh öffentliche Sichtbarkeit für Kunstschaffende ermöglicht, die später breite Anerkennung fanden, darunter Tacita Dean, Ed Atkins, Fiona Banner, Hurvin Anderson und Doris Salcedo. Igwes Auftrag fügt sich in diese Geschichte ein und richtet zugleich den Blick auf Pädagogik, Infrastruktur und Verwaltung als Gegenstände der Untersuchung mit bewegten Bildern.
Über alle Phasen hinweg bleibt die kuratorische Logik konsistent: Die Arbeit prüft, wie Ausstellungsformate und Bildtechnologien bestimmen, was als Beleg gilt. Indem eine Familienbiografie durch die gebaute Umgebung und die bürokratischen Sedimente einer großen Universität geleitet wird, behandelt our generous mother Dokumente, Erinnerungen und Bewegtbilder als Materialien, die der Bearbeitung und erneuten Lektüre unterliegen, nicht als fixe Aufzeichnungen.
Ort und Termine: Art Now, Tate Britain — 19. September 2025 bis 17. Mai 2026.