Die Schnittstelle von Bewegung und auditiver Architektur rückt im Sydney Opera House in den Mittelpunkt, wenn die Gary Lang NT Dance Company ein zutiefst intimes Werk zur Uraufführung bringt. Produziert von BlakDance, ist The Other Side of Me nicht bloß eine visuelle Performance, sondern eine komplexe Klanglandschaft, die durch die gebrochene Identität eines Überlebenden der „Stolen Generations“ navigiert. Durch die Fusion der uralten mündlichen Traditionen des Arnhem Land mit zeitgenössischer Komposition bietet die Produktion eine viszerale Erkundung eines Mannes, der zwischen zwei Kulturen, zwei Familien und zwei Kontinenten gestrandet ist.
Eine Narration von Dissonanz und Harmonie
Im Kern dieser Produktion liegt eine erschütternde wahre Geschichte – das Schicksal eines Aborigine-Jungen, der seiner Familie entrissen und in einem englischen Dorf aufgezogen wurde. Diese geografische und kulturelle Dislozierung spiegelt sich im strukturellen Arrangement der Inszenierung wider. Choreografiert vom gefeierten Larrakia-Künstler Gary Lang – dessen Arbeit oft für ihre einzigartige Ästhetik des „indigenen Balletts“ gelobt wird –, fungiert das Stück als Duett, das den inneren Dialog des Protagonisten physisch manifestiert. Die Erzählung wird dabei ebenso vom Ohr wie vom Auge getrieben und erforscht die mentalen Gefängnisse, die durch Trauma und das Strafjustizsystem errichtet werden. Lang merkt an, dass das Werk zwar in einer spezifischen Historie verankert ist, jedoch mit universellen Themen von Einsperrung und der Suche nach persönlicher Freiheit resoniert, wodurch eine Spannung und Auflösung erzeugt wird, die jedem Kenner musikalischer Formen vertraut ist.
Die Komposition: Manikay trifft auf moderne Klangwelten
Aus musikwissenschaftlicher Sicht weist die Produktion einen beeindruckenden kollaborativen Stammbaum auf, der die Kluft zwischen der traditionellen Instrumentierung der First Nations und modernem theatralem Sounddesign überbrückt. Die Partitur stammt von Sam Pankhurst, bekannt für seine Fähigkeit, komplexe harmonische Strukturen und genreübergreifende Kompositionen zu navigieren. Die Klangfarbe des Stücks wird jedoch durch die Einbindung von Banula Marika definiert, einem preisgekrönten Yolŋu-Sänger und Hüter der Tradition des Rirratjingu-Clans. Marika steuert den Manikay bei – traditionelle Liederzyklen, die innerhalb des Werks sowohl als narratives Element als auch als spiritueller Anker dienen. Diese Vokalisierungen, reich an angestammter Geschichte, werden dem atmosphärischen Sounddesign von Arian Pearson gegenübergestellt, was eine polyphone Textur erzeugt, in der der Hall der Vergangenheit auf die unmittelbare Realität der Gegenwart prallt. Diese akustische Schichtung simuliert die duale Existenz des Protagonisten und nutzt den intimen Frequenzgang des Studio-Raums, um das Publikum in die Desorientierung der Figur einzuhüllen.
Kulturelle Akustik und Dramaturgie
Die Produktionswerte reichen weit über die Partitur hinaus und sind tief durch kulturelle Konsultation geprägt, um sicherzustellen, dass die Tonalität – sowohl emotional als auch klanglich – authentisch bleibt. Der narrative Bogen wurde unter Mitwirkung der Kulturberaterin Josie Cranshaw und der gelebten Erfahrung von Langs Neffen, Jesse Norris, verfeinert, der die kulturelle Dramaturgie hinsichtlich der Repräsentation von First-Nations-Männern im Justizsystem lieferte. Diese Zusammenarbeit, an der auch die Northumbria University in Großbritannien beteiligt ist, beleuchtet die akustischen Narben der Kolonialisierung und schafft einen Dynamikumfang, der von Momenten stiller Introspektion bis hin zu Sequenzen hoher Intensität reicht. Michael Hutchings, Leiter des First Nations Programming, betont die Bedeutung, diese Geschichte nach Tubowgule zu bringen – einem Ort des Geschichtenerzählens, der dem Opernhaus um Zehntausende von Jahren vorausgeht.
Veranstaltungsdetails und Tickets
Diese internationale, interkulturelle Zusammenarbeit wird im Anschluss an die Premiere auf eine Tournee durch sieben Zentren der australischen Ostküste gehen. Die Spielzeit in Sydney ist für den 6. bis 9. Mai 2026 im Studio des Sydney Opera House angesetzt. Der Vorverkauf beginnt am Dienstag, den 25. November 2025, um 9:00 Uhr, während der allgemeine öffentliche Verkauf am Freitag, den 28. November 2025, um 9:00 Uhr startet.

