In einer ambitionierten Fusion aus Genealogie und Sounddesign veröffentlicht die aufstrebende dänisch-korsische Künstlerin Malu Pierini ihr Debütwerk Libera Me. Das Album versteht sich weniger als bloße Ansammlung von Songs, sondern vielmehr als auditiver Dokumentarfilm ihrer eigenen Abstammung. Pierini verwandelt das Familienfotoalbum in ein filmisches Klanguniversum und konstruiert einen narrativen Bogen, der von den rauen Landschaften Korsikas über die neonbeleuchteten Cabarets des Paris der 1960er Jahre bis hin zur kühlen Melancholie des heutigen Kopenhagens reicht. In zehn Titeln webt sie einen Teppich aus französischer Eleganz und nordischem Soul und untersucht dabei, wie die ungelebten Träume ihrer Vorfahren ihren eigenen künstlerischen Werdegang geformt haben.
Das narrative Herzstück der Platte bildet die Romanze ihrer Großeltern: Bernard, ein charismatischer Korse, der ein Cabaret in Paris leitete, und eine dänische Tänzerin, die ihre Heimat verließ, um sich einer Truppe in der französischen Hauptstadt anzuschließen. Diese Historie wird in Stücken wie Bernard lebendig, einem cineastischen Chanson, in dem Pierini ein metaphysisches Gespräch mit ihrem verstorbenen Großvater führt. Sie ergründet seine „unsichtbare Hauptrolle“ in ihrem Leben und hinterfragt, wie viel von seiner Theatralik und seinen großen Gesten sie heute als Performerin in sich trägt. Das Album taucht tief in die Dualität jener Ära ein: Während Bernard im Nachtleben des La Nouvelle Eve aufblühte, fand sich Pierinis Großmutter isoliert in der Wohnung über dem Lokal wieder, in der Erkenntnis, dass ihre eigenen Träume von seinem Charisma verdrängt worden waren.
Produktionstechnisch zeugt „Libera Me“ von handwerklicher Finesse auf High-Fidelity-Niveau. Entwickelt wurde der Sound in enger Zusammenarbeit mit den Produzenten Nicholas und Oliver Kincaid, die sich bereits durch ihre Arbeit mit dänischen Größen wie Mina Okabe, Scarlet Pleasure und Emil Kruse einen Namen gemacht haben. Das Team kuratierte eine sophistizierte Klangpalette, die organische Instrumentierung mit atmosphärischem Sounddesign verbindet. Pierini nutzte gezielt Field Recordings (Außenaufnahmen), um dem Mix Textur zu verleihen und den Hörer in ihrer physischen Geschichte zu verankern: das Läuten der Kirchenglocken auf Korsika, das rhythmische Prasseln des Regens, das ambiente Summen eines belebten Cabarets und das Zirpen der Zikaden in einer Sommernacht in den Bergen. Diese auditiven Artefakte fungieren als Bindeglied, das die Barriere zwischen Vergangenheit und Gegenwart auflöst.
Der Auftakt gelingt mit „Souvenir“, wo warme Bossa-Nova-Synkopen auf die gesampelte Stimme einer Flugbegleiterin treffen und das Album als transkontinentale Reise etablieren. Dies führt zum emotionalen Kernstück des Werks, Pourquoi. Hier evociert die Klanglandschaft eine Postkarte aus Paris und verschmilzt das dramatische Flair einer Edith Piaf und des Pigalle-Viertels mit einer unverkennbaren nordischen Sensibilität. Der Song ist eine existenzielle Befragung des „Schmetterlingseffekts“ familiärer Entscheidungen – in dem Bewusstsein, dass Pierini selbst nicht existieren würde, hätte ihre Großmutter Paris nie verlassen. Im Kontrast dazu nutzen Stücke wie Just For Us üppige Streicherarrangements, um eine neue Romanze zu skizzieren, während Bisous in einen verspielten, selbstironischen Tonfall wechselt und eine divenhafte Selbstsicherheit zur Schau stellt.
Thematisch wird das Projekt durch das Konzept von „Libera Me“ zusammengehalten (Latein für „Befreie mich“), ein Titel, der einer Gebetszeile entlehnt ist, an die sich Pierini aus Gottesdiensten auf Korsika erinnert. Die Phrase zieht sich als roter Faden durch die LP und repräsentiert den Wunsch, das eigene Erbe zu ehren, während man sich gleichzeitig von generationenübergreifenden Mustern und geerbten Narrativen löst. Pierini rahmt das Album sowohl als Tribut als auch als Befreiungsschlag: Es ist ihr Weg, aus dem Schatten der Familienlegenden zu treten und ihre eigene Identität auf der Bühne zu beanspruchen.
Pierini hat ihren Status als vielversprechendes Talent in der dänischen Musikszene bereits gefestigt. Sie erzielte Airplay auf nationalen Radiosendern wie P3, P4 und P5 und erhielt Aufmerksamkeit in internationalen Medien wie COLORS, DLSO und Ones To Watch. Seit ihrem Debüt spielt sie regelmäßig vor ausverkauften Häusern, darunter ein bemerkenswerter Auftritt im Hotel Cecil.
Libera Me erscheint als unabhängige Veröffentlichung via Universal Music Group am 30. Januar. Um den Release gebührend zu feiern, wird Malu Pierini am 17. Februar im Lille VEGA in Kopenhagen und am 21. Februar im Vin Danmark in Aarhus live auftreten.

