Octoberman kehrt mit Chutes zurück—einem schlanken, warm timbrierten siebten Album bei Ishmalia Records, das Atem, Bandrauschen und Raumklang nicht als Makel, sondern als tragende Teile der musikalischen Architektur begreift. Produzent Jarrett Bartlett arbeitete gemeinsam mit Bandleader Marc Morrissette nach dem Prinzip „Präsenz statt Politur“: Die Kerntakes wurden im Little Bullhorn Studios in Ottawa live auf Zwei-Zoll-Band eingespielt—ohne Klick, ohne Bildschirme—und anschließend nur leicht in Home-Studios rund um Ontario ergänzt. So entstehen Darbietungen im menschlichen Maß, in denen Mikro-Rubato, das Ausschwingen der Becken und das Körnige in Morrissettes Stimme zu erzählerischen Wegmarken werden.
Textlich verknüpft Chutes zwei Fäden. Der eine reaktiviert älteres Material—Vignetten in der dritten Person, aus Festplatten-Demos geborgen—Miniaturen, die Gesten und Wetterlagen registrieren. Der andere nimmt einen bekenntnishaften Ton an, geschrieben im langen Nachhall eines familiären Verlusts und darauf gerichtet, wie Angst, Zärtlichkeit und Widerstandskraft in den Alltag einsickern. Diese doppelte Perspektive erlaubt es, Erinnerung von zwei Seiten zu lesen: als etwas, das man mit Distanz betrachtet, und als etwas, das der Körper spürt. Pathos meidet das Album; die Songs bewegen sich mit nüchterner Offenheit und vertrauen darauf, dass die Hörerinnen und Hörer die Linien verbinden.
Das Ensemble—Morrissette (Gitarre, Gesang, Synthesizer), Marshall Bureau (Schlagzeug, Vibrafon), Tavo Diez de Bonilla (Bass, Gesang), J.J. Ipsen (Gitarre) und Annelise Noronha (Akkordeon, Banjo, Gitarre, Backing-Vocals)—setzt auf eine „live-off-the-floor“-Chemie, die Zusammenspiel über Zierwerk stellt. Vibrafon-Schleier und Akkordeon-Drones verbreitern das Spektrum, ohne die Arrangements zu verdichten; das Banjo erscheint als Textur statt als Stilzitat, ein perkussiver Faden, der die Gitarren vernäht. Bartletts Engineering lässt Kanten stehen: Transienten dürfen aufblühen, der Bass klingt hölzern-resonant, und die Mischungen widerstehen dem Reiz maximaler Lautheit zugunsten echter Dynamik.
Octobermans lange Strecke hat Vergleiche provoziert—Sparklehorses lyrisches Helldunkel, Stephen Malkmus’ lose Melodik, die helle Melancholie eines sonnigeren Elliott Smith. Chutes anerkennt diese Verwandtschaften und klingt doch unverkennbar nach einer Band, die tief in ihrer eigenen Sprache zuhause ist: gesprächige Melodien auf hell klingenden Gitarren; harmonische Wendungen, die, einmal da, unausweichlich scheinen; Hooks, die sich leise ankündigen und dann bleiben. Es ist Musik, die auf Wiederholung und Proportion vertraut und Spektakel gegen Dauerhaftigkeit tauscht.
Kontext zählt bei einer Formation, die ihren Ruf eher durch Sedimentation als durch abrupte Wendungen aufgebaut hat. Octobermans Katalog hat Songs ins Fernsehen gebracht und die Band mit Julie Doiron, Mount Eerie und Owen Pallett auf die Bühne gestellt; Chutes liest sich dennoch weniger als Lebenslaufposten denn als Arbeitsprinzip. Die Bescheidenheit der Platte ist Absicht: Lieder, die Jahre überstehen, Details bei niedriger Lautstärke freigeben und den Moment treffen, ohne ihn zu forcieren. Selbst die Reihenfolge unterstreicht diese Haltung, indem sie Erzählstränge auftauchen und wieder abklingen lässt—ohne starre Genre-Marker, ohne Studio-Tricks.
Die Veröffentlichung wird von zwei intimen Ontario-Konzerten begleitet—kleine Räume, gewählt wegen Akustik und Nähe, um die unaufgeregte Dynamik der Platte und die nah mikrofonierte Intimität der Stimmen nachzuzeichnen. Foto: Rémi Thériault.
Veröffentlichungs- und Live-Termine: Album erschienen am 27. August; Toronto, Cameron House, 3. Oktober; Ottawa, Red Bird, 10. Oktober.