Der fließende Übergang zwischen digitalen und physischen Bereichen ist ein zentrales Thema der heutigen Zeit. Mit diesem Kontinuum befasst sich auch die zeitgenössische Kunst – in zahlreichen neuen Arbeiten, die sich der Schnittstelle zwischen computergeneriertem und „realem“ Raum widmen. In diesem Grenzbereich agieren Technologien oftmals versteckt oder in verschlüsselter Form, sodass Untersuchungen von Interfaces viel von Spekulation oder gar Argwohn geprägt sind. Hier setzt das Programm Poetics of Encryption an und nimmt die verborgenen Dimensionen unserer Technologielandschaft in den Blick.
Die KW bewegen sich an der Schnittstelle zwischen virtuellen und materiellen Welten und dem kreativen Einsatz neuer Technologien. Dieses Feld künstlerisch zu erforschen, kritisch zu befragen und neu zu erfinden ist ein Hauptanliegen des KW Digital Program, das 2020 ins Leben gerufen wurde. Das Programm, kuratiert von Nadim Samman (Kurator Digitaler Raum der KW), ist nicht an ein bestimmtes Gerät oder einen festen Ort gebunden, sondern bespielt diverse Plattformen. Vorangegengene Projekte umfassen unter anderem The Last Museum (2021), Open Secret (2021) und KW on location: Rachel Rossin THE MAW OF (2022).
KW Digital: Poetics of Encryption from KWInstituteforContemporaryArt on Vimeo.
Sammans Publikation Poetics of Encryption: Art and the Technocene schafft einen theoretischen Bezugsrahmen für das KW Digital Program 2023–2024. Der Autor sondiert darin eine kulturelle Landschaft, die geprägt ist von Black Sites, Black Boxes und Black Holes (geheime Gefängnisse, intransparente Systeme, Schwarze Löcher) – Begriffe, die erkennen lassen, wie neue Technologien ihre Nutzer*innen gefangen nehmen, wie sie im Verborgenen wirken und kulturelle Raumzeit deformieren.
Poetics of Encryption besitzt eine eigene Website und visuelle Identität. Most Dismal Swamp, UBERMORGEN und Zheng Mahler sind in diesem Format erstmals mit Online-Auftragsarbeiten vertreten; zudem wird die Website während der gesamten Dauer des Programms fortlaufend aktualisiert und mit Informationen, Materialien und Medienangeboten ergänzt. Zugang via poeticsofencryption.kw-berlin.de
Am 27. und 28. Oktober findet im historischen Theater im Delphi eine Konferenz statt, die Künstler*innen und namhaften Medienwissenschaftler*innen Gelegenheit zum Austausch bietet. Mit Vorträgen, Performances und Screenings wird in dem ehemaligen Stummfilmkino die dunkle Seite der Technologie ausgelotet, wobei die thematische Bandbreite vom Begriff race über die Steuerung von und durch Algorithmen bis hin zu Halluzination, Künstlicher Intelligenz und Kunst reicht. Teilnehmende sind unter anderem Ramon Amaro, Orit Halpern, Nora N. Khan, Andrea Khôra, Most Dismal Swamp, Özgün Eylül İşcen, Bernard Dionysius Geoghegan, Trevor Paglen, Jon Rafman, Lorem und Ala Roushan. Musikalisch begleitet wird die Veranstaltung von einer 18-Kanal-Hörinstallation des Berliner Dubplate-Labels Flipping the Coin, das Musik spezifisch für Künstler*innen produziert. Tickets sind online erhältlich.
End- und Höhepunkt des Programms ist eine Gruppenausstellung im Frühjahr 2024 auf allen drei Etagen der KW: Hier werden künstlerische Visionen zu Black Site, Black Hole und Black Box vorgestellt. Eingebettet in einen architektonischen Entwurf von Jürgen Mayer H. wird sich im Zusammenspiel analoger und digitaler Herangehensweisen eine Poetik der Verschlüsselung abzeichnen. Arbeiten von über dreißig international tätigen Kunstschaffenden werden gezeigt, darunter American Artist, Emile Brout & Maxime Marion, Emmanuel Van der Auwera, Gillian Brett, Juliana Cerqueira Leite, Julian Charrière, Joshua Citarella, Kate Crawford & Vladan Joler, Clusterduck, Simon Denny, Most Dismal Swamp, ênore, Tilman Hornig, Andrea Khôra, Jonna Kina, Egor Kraft, Eva & Franco Mattes, Carsten Nicolai, Jon Rafman, Charles Stankievech, Troika, Ubermorgen Nico Vascellari, Zheng Mahler.
Das KW Digital Program 2023–2024 wird unterstützt von der Volkswagen Group. Hauke Stars, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG für IT und Organisation: „Wir fördern das KW Digital Program, weil digitale Technologien neue Möglichkeiten für Industrie, Kunst und Kultur gleichermaßen eröffnen. Die Digital-Konferenz der KW Institute for Contemporary Art zeigt neue künstlerische Positionen und bietet gleichzeitig allen Interessierten die Möglichkeit, sich auszutauschen und in den Dialog zu treten.“
Nadim Samman, Kurator Digitaler Raum der KW, über das Projekt: „Die digitale Welt ist zunehmend mit unserem analogen Umfeld verwoben. Daher ist es ein öffentliches Anliegen, Anknüpfungspunkte zwischen virtuellen und physischen Räumen ausfindig zu machen – durch die Kunst. Unser KW Digital Program 2023–2024 zielt darauf ab, die Entwicklung neuer Sichtweisen auf diese Verschränkung zu fördern. Es bietet Künstler*innen ein Forum, die in ihrer Arbeit die Auswirkung von Technologie auf unsere kollektiven Vorstellungswelten erforschen. Darüber hinaus möchten wir zum Diskutieren und Nachdenken anregen und dazu ermutigen, voneinander zu lernen und die Gestaltung unserer digitalen Zukunft gemeinsam voranzubringen.“