Edvard Munch: Zauber des Nordens – Berlinische Galerie, Berlin

Edvard Munchs (1863–1944) radikale Modernität der Malerei forderte die Zeitgenoss*innen heraus. Das gilt insbesondere für die Berliner Kunstszene um die Jahrhundertwende, auf die der norwegische Symbolist großen Einfluss nahm. Die Ausstellung „Edvard Munch. Zauber des Nordens“ ist eine Koope- ration mit dem MUNCH in Oslo. Sie erzählt anhand von Malerei, Grafik und Fotografie die Geschichte von Edvard Munch und Berlin.

Wie ein Fieber hatte die Begeisterung für alles Nordische die Reichshauptstadt erfasst. Selbst der konservative „Verein Berliner Künstler“ ließ sich mitreißen und lud 1892 den noch unbekannten, jun- gen Maler zu einer Einzelausstellung ein. Viele Mit- glieder, aber auch das Publikum waren geschockt von den farbgewaltigen Bildern, die als roh und skiz- zenhaft empfunden wurden. Als Folge musste die Ausstellung kurz nach der Eröffnung schließen. Munchs Werke polarisierten. Zugleich genoss der Künstler das unerwartete öffentliche Aufsehen. Er zog umgehend an die Spree, wo er von 1892 bis 1908 immer wieder über längere Zeiträume lebte und arbeitete, bevor er sich ab 1909 fest in Norwegen nie- derließ. Die „Affäre Munch“, wie die Presse den Vorfall ironisierte, gilt als Beginn der Moderne in Berlin.

Mit rund 60 Ausstellungen, darunter vielen Einzelprä- sentationen, blieb Berlin für Munch von 1892 bis 1933 einer der wichtigsten Ausstellungsorte in Europa. Hier fand er Künstler*innen, Galerist*innen, progres- sive Intellektuelle und Sammler*innen, die sein Werk förderten. Hier brachte er sich in enger Zusammen- arbeit mit führenden Berliner Druckereien druck- grafische Techniken bei. Hier präsentierte er seine Gemälde erstmals als zusammenhängende Bildserie. Diese für sein Werk zentrale Idee entwickelte er 1902 in einer Ausstellung der Berliner Secession zum sogenannten Lebensfries weiter. Bis zu seinem Tod sollte ihn dieses Projekt beschäftigen.

In Berlin bedeutete die Begegnung mit Munchs Werken nicht nur eine Initialzündung für die Moderne. Auch die bis dahin gängige Vorstellung vom „Zauber des Nordens“ (Stefan Zweig) erfuhr einen Wandel. Statt mit romantischen oder naturalistischen Fjordlandschaften verband man damit nun Munchs psychisch verdichtete Bildwelten. Unter der natio- nalsozialistischen Diktatur ab 1933 wurde der Maler zunächst von der Kulturpolitik ideologisch als „großer nordischer Künstler“ vereinnahmt, aber auch schon früh als Beispiel für „Entartung“ verfemt.

Thomas Köhler, Direktor Berlinische Galerie: „Edvard Munch war ein zentraler Wegbereiter der Moderne. Und, was viel zu wenig bekannt ist: Der norwegische Künstler hatte großen Einfluss auf die Berliner Kunstszene Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Kunstskandal verhalf dem Künstler 1892 zu erstem Ruhm, zehn Jahre später war er dann im gesamten Deutschen Reich bekannt und schließlich richtete ihm die Nationalgalerie Berlin 1927 die bis dahin größte Retrospektive des norwegischen Künstlers aus. Unsere Vorfreude auf die Ausstellun- gen in Potsdam und Berlin ist riesig. Es wird eine ein- malige Gelegenheit, Munchs hochkarätige Werke in dieser Fülle sehen zu können.“

Tone Hansen, Direktorin MUNCH: „Deutschland war für Edvard Munch das Land sei- nes künstlerischen Durchbruchs und wurde zu einem wichtigen Ort für den Verkauf seiner Werke. Heute ist die Kulturstadt Berlin ein wichtiger Partner für Norwe- gen. Wir sind unheimlich stolz auf Munchs großartige Rückkehr in Form dieser erstklassig kuratierten Aus- stellung. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenar- beit unserer beiden Institutionen und hoffen, dass die Ausstellung ein noch stärkeres Interesse an norwegi- scher Kunst hervorbringen wird.“

Die Ausstellung umfasst rund 80 Werke von Edvard Munch, ergänzt durch Werke anderer Künstler*in- nen, die Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin die Vorstellung vom Norden sowie die moderne Kunst- szene an der Spree geprägt haben, darunter Walter Leistikow oder Akseli Gallen-Kallela.

Die Ausstellung steht unter der gemeinsamen Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Seiner Majestät König Harald V. von Norwegen. Sie entsteht in enger Zusammenarbeit mit dem MUNCH, Oslo und mit maßgeblicher Unterstützung durch das Kupferstichkabinett und die Neue Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin.

Förderung durch: Hauptstadtkulturfonds, Norwegische Botschaft Berlin, Ernst von Siemens Kunststiftung und Stiftung International Music and Art Foundation, Vaduz.

Eröffnung im Rahmen der Berlin Art Week.

Vom 18. November 2023 bis 1. April 2024 zeigt das Museum Barberini, Potsdam, die Ausstellung „Munch. Lebenslandschaft“: museum-barberini.de

Lisbeth Thalberg
Lisbeth Thalberghttp://lisbeththalberg.wordpress.com
Journalist und Künstler (Fotograf). Redakteur der Rubrik Kunst bei MCM.
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