Kunst im Untergrund 2022/23: Neue urbane Öffentlichkeitenab dem 30. Juni mit neuen Arbeiten

Sunny Pfalzer

Neue urbane Öffentlichkeiten, die diesjährige Ausgabe des alle zwei Jahre von der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) ausgelobten internationalen Kunstwettbewerbs „Kunst im Untergrund“, geht in die zweite Runde. Noch bis zum 29. Juni sind die Beiträge von Sunny Pfalzer und Irene Fernández Arcas am Strausberger Platz und am Kottbusser Tor zu sehen, vom 30. Juni bis zum 20. Juli zeigen dort dann das Projekt Chargé und Julieta Ortiz de Latierro ihre Arbeiten. Den Abschluss macht ab dem 21. Juli das Kollektiv image-shift. Billboards, die während der gesamten Laufzeit auf den Hintergleisflächen der ausgewählten U-Bahnhöfe zu sehen sind, werden durch ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm aktiviert.

Irene Fernandez Arcas_
Irene Fernandez Arcas

Fü r das Projekt Chargé kommen sechs Kü nstler_innen (Sinzo Aanza, Jasmina Al-Qaisi, Falonne Mambu, Nada Tshibwabwa, Ralf Wendt und Elsa Westreicher) aus der Demokratischen Republik Kongo und aus Deutschland zusammen. An zwei Tagen bewegen sich zwei Performer_innen um den und entlang des Strausberger Platzes und stören durch ihre Präsenz den Fluss des städtischen Treibens. Sie tragen Kostü me, die aus Mobiltelefonteilen und Elektrokabeln bestehen und damit jene Materialsubstrate verkörpern, die in Minen der D.R. Kongo unter teils katastrophalen Bedingungen gewonnen werden: Kupfer, Koltan und Kobalt, Hauptbestandteile unserer westlichen Kommunikations- und Mobilitätssysteme. Begleitet werden die Performances von einer Soundarbeit. Eine auf Plakaten auf den Hintergleisflächen des U-Bahnhofs abgebildete Telefonnummer fü hrt Passant_innen zu einer Telefonwarteschleife, die die Soundarbeit wiederholt abspielt.

Sunny Pfalzer
Sunny Pfalzer

In Julieta Ortiz de Latierros Beitrag Keine Werbung werden behördliche Briefe in Pop-up- Skulpturen verwandelt. Das Projekt ist dreiteilig: Im U-Bahnhof Kottbusser Tor entsteht eine Intervention auf den Hintergleisflächen, im „Berliner Fenster“ wird ein Video-Tutorial ausgestrahlt und in einem Nachbarschaftszentrum findet ein offener Workshop statt. Gerade

fü r die am prekärsten lebenden Mitglieder der Gesellschaft sind behördliche Briefe häufig angstbesetzt, enthalten sie doch häufig Mahnungen, negative Bescheide oder Geldstrafen. Zerschnitten und gefaltet verliert ihr Inhalt in Keine Werbung seine Bedeutung, die Wörter werden zu Nonsens. Die Billboards werden am 30. Juni um 19 Uhr auf dem Bahnsteig der U1 am Kottbusser Tor eingeweiht.

Ebenfalls am Kottbusser Tor und seinem U-Bahnhof interveniert im Anschluss das Kollektiv image-shift. Sandy Kaltenborn, Athena Javanmardi und Paco Camberlin stellen dem medial vereinfachten Bild des Kottbusser Tors als „Problemort“ einen Entwurf entgegen, der das vielschichtige soziale Gewebe des Platzes sichtbar macht. Mit Fotos, Infografiken, Zitaten und Kinderzeichnungen zeigt ihr Projekt Learning from Kotti unterschiedliche Perspektiven und Lesarten zum Kottbusser Tor auf. So entsteht ein fragmentarisches, poetisches und bewusst unabgeschlossenes Bild des Kreuzberger Platzes.

Levi
Levi

Der Kunstwettbewerb „Kunst im Untergrund“

Alle zwei Jahre präsentiert die nGbK die Ergebnisse des internationalen Kunstwettbewerbs

„Kunst im Untergrund“, in diesem Jahr unter dem Titel Neue urbane Öffentlichkeiten. Die sechs ausgewählten kü nstlerischen Positionen, die seit dem 8. Juni und noch bis zum 10. August im öffentlichen Raum zu sehen sind, verbinden die Berliner U-Bahn mit oberirdischen städtischen Plätzen und bespielen ü ber das Fahrgastfernsehen das gesamte Streckennetz.

julietaortizdelatierro

Ausgehend von der Idee des Platzes als Ort des Gemeinwohls, als Treffpunkt und Diskussionsort, dienen dieses Mal drei Berliner Plätze und ihre U-Bahnhöfe als Ausgangspunkt fü r kü nstlerische Interventionen: Das Kottbusser Tor, der Strausberger Platz und das Rote Rathaus. All diese Plätze sind architektonisch markant, teils von Straßen zerschnitten oder von Brü cken und Hochbahnen ü berspannt, teils klassisch symmetrisch angelegt. Genutzt wird der ausgewählte öffentliche Raum ganz unterschiedlich: als Verkehrs-

, Konsum-, Spiel-, Kommunikations- oder Erholungsraum. Die ausgewählten Arbeiten wollen diese Nutzungen verstärken und ins Zentrum stellen. Durch sie wird der Platz selbst zum Akteur, er kann Ort, Anlass und Gegenstand sein fü r alternative politische Selbstorganisation.

Der Kunstwettbewerb fand, ursprü nglich mit dem Titel „Kunst statt Werbung“, erstmals im Jahr 1958 in Ostberlin statt und rief Kü nstler_innen auf, Plakate fü r den Frieden zu entwerfen. Die eingereichten Arbeiten wurden an den Hintergleisflächen des U-Bahnhofs Alexanderplatz ausgestellt. Während ein Großteil der damaligen DDR-Institutionen nach 1989 aufgelöst oder umbenannt wurde, konnte sich der Wettbewerb behaupten. Seit Anfang der 1990er Jahre setzt die nGbK in Zusammenarbeit mit den jeweils fü r Kultur zuständigen Senatsverwaltungen unter dem Projekttitel „Kunst im Untergrund“ kü nstlerische Arbeiten in oder in unmittelbarer Nähe von Berliner U-Bahnhöfen um.

Künstler_innen: Irene Fernández Arcas, Sunny Pfalzer, Julieta Ortiz de Latierro, image-shift, Liminal Beast of Prey, Chargé (Sinzo Aanza, Jasmina Al-Qaisi, Falonne Mambu, Nada Tshibwabwa, Ralf Wendt und Elsa Westreicher)

nGbK-Arbeitsgruppe: Lorena Juan, Marenka Krasomil, Isabelle Meiffert, Sandra Teitge und Mirko Winkel

Mitarbeit: Manon Frugier

Unterstü tzt von der Senatsverwaltung fü r Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt – Kunst im Stadtraum

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Nachrichten über Kunst, Ausstellungen, Museen und Künstler aus aller Welt. Ein internationaler Blick auf die Kunstwelt. Verantwortlich für den Bereich Kunst: Lisbeth Thalberg
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